...„Die Anzahl meiner Diäten ? Wollen sie die Reihenfolge
enumerativ oder willkürlich ? Hahahahaaaaaaaa !“ brüllte Frau
Sebmann-Wicht gerade ins Telefon, als die Herren Ordnungshüter ihr Büro
betraten. Sie winkte den Beamten stürmisch zu und wies mit großer,
ausladender Geste aufgeregt auf die beiden leeren und wie üblich
ungepolsterten Besucherstühle. „Nach der letzten gescheiterten
Bananendiät versuche ich jetzt eine neue Eierdiät, aber so viele Eier
kann ich gar nicht essen, wie ich abnehmen müsste, hahaha!“ gab sie
ins Telefon, „Entschuldigung, ich habe hier zwei Herren, die mich
sprechen wollen, ich rufe sie wieder an, Frau Rehmann-Paffrath !“,
sagte sie sehr laut und legte auf.
„Das war eine wichtige Kollegin, eine Frauenbeauftragte aus Bremen,
schließlich müssen wir eine gemeinsame Strategie zur Eindämmung der
allgegenwärtigen und leider alltäglichen Frauendiskriminierung
entwickeln. Was gucken sie so ?“
Ihr war der Blick der Polizisten aufgefallen, der beeindruckt auf dem
schwer beladenen Schreibtisch ruhte. Sämtliche Akten waren abgeräumt
und lieblos auf den Boden gestapelt worden, die PC-Tastatur und sämtliches
Arbeitsgerät waren zur Seite geschoben. Auf dem Tisch stapelten sich längs
aufgeschnittene Brötchen, eine 250-Gramm-Packung Rahmaufstrich, eine
800-Gramm-Packung Fleischsalat mit besonders viel Fleisch, mehrere
Sorten Wurstaufschnitt aus der 99-Cent-Pro-100-Gramm-Kategorie, acht
aufgeschnittene Harteierhälften sowie eine Pfundpackung
Mousse-au-Chocolat zum Nachtisch.
Die Polizisten fühlten sich bei sicher deplazierten, hämischen, wenn
nicht latent frauenfeindlichen Gedanken ertappt. „Oh, wir wollten
nicht beim Essen stören.... nehmen sie gar keine Butter ?“, fragte
der kleine Mann von Wache 12 unvermittelt. „Nein, die macht dick und
ich bin auf Diät“, blökte Frau Sebmann-Wicht, während sie genüsslich
den Rahmaufstrich fingerdick auf eines der halbierten Brötchen
schmierte. „ Aber weil ich sowieso beim Abnehmen bin, kann das Essen
auch noch warten, was kann ich für sie tun ?“, fragte sie wie
nebenbei, während sie sich ein halbes Ei hineinstopfte.
Die Polizisten sagten wieder ihr Sprüchlein von den Ermittlungen auf
und wollten wissen, was es denn im Zusammenhang mit der Verstorbenen an
surrealem gegeben habe, insbesondere zum Thema Beförderung, Heirat und
Suchtbeauftragter. „Wieso standen eigentlich nur Frauen zur Auswahl
?“ fragte der große Polizist, der sich zwar noch niemandem
vorgestellt hatte, der aber auf den Namen Polzer hörte.
„Nuuur Frauen ? Was soll das denn heißen ???“, wurde er ob dieser
unvorsichtigen Formulierung angefahren, „ gerade wir Frauen wurden über
viele Jahrhunderte immer benachteiligt, obwohl wir bewiesenermaßen
besonders für Führungspositionen geeignet sind. Jede Einzelne hier,
insbesondere ich, hätte das Zeug zu dem Job gehabt, aber ausgerechnet
Frau Lennart hat ihn bekommen. Das hat jetzt nichts mit fehlender
Solidarität unter Frauen zu tun, aber die hat es nun wirklich nicht
verdient oder sich hochgeschlafen, und wie die schon immer herumläuft
!“, empört gönnte sich Frau Sebmann-Wicht ein weiteres Halb-Ei.
„Öhm, warum denn nicht ?“ fragte Polizist Polzer leise und verschüchtert.
„Warum denn nicht ?“, echote die Frauenbeauftragte laut, „ ich
will hier keine Interna verraten, schlecht über andere sprechen oder
mich beschweren“, dann tat sie es aber doch, und nicht einmal
widerwillig. In epischer Breite berichtete sie von ihrer Konkurrentin
Lennart, nur kurz und nebenbei von der verstorbenen Heike Fahrenkrug.
Besondere Freude schien ihr die Geschichte von den
Scheinschwangerschaften Luise Lennarts zu bereiten, „ die hatte sogar
schon der Show halber das Eltern-Magazin abonniert,“ amüsierte sie
sich laut, „und in Wirklichkeit hatte sie sich immer ein Stuhlkissen
vor den Bauch gebunden, hahaaaa!“ Aber diesen Part kannten die
Polizisten ja bereits. Nun wurde es interessanter, denn es ging um die
Beförderung.
Nachdem Frau Sebmann-Wicht erneut laut über ihre schmähliche und
ungerechte Übergehung lamentiert hatte, beschrieb sie auch die
bisherigen beruflichen Leistungen Luise Lennarts in düstersten Farben.
„Die hat einfach Null gebracht. Hat sich beim Chef eingeschleimt, ist
mal mit ihm essen gegangen und das war’s. Ihre Statistik fürs
vergangene Jahr: Null ! Das Jahr davor: Null! Aber sie hat erzählt,
dass sie dieses Jahr 20 Millionen mehr holen werde als wir alle
zusammen, dabei hat sie bis zum heutigen Tag noch keinen Cent beisammen.
Aber man hat ihr jedes erlogene Wort geglaubt, man wollte ihr jedes
erlogene Wort glauben und sie ist es geworden ! Ich nicht und Frau
Fahrenkrug auch nicht! Wollen sie auch ein Brötchen ? Ist lecker !“
Aber die Beamten wollten nicht, sie wollten lieber mehr erfahren.
„Na gut“, sagte die Frauenbeauftragte etwas unwirsch, „sie werden
es ja sowieso erfahren: Die Fahrenkrug ist strafversetzt worden, weil
Zeik dachte, sie hätte die Lennart aus Rache für die Nichtbeförderung
beim Suchtbeauftragten angeschwärzt. Hat sie aber gar nicht,
Hahaaaaaaaaa!“
Der gute und der böse Polizist verließen die Frauenbeauftragte mit dem
Gefühl, dass sie am heutigen Tage vielleicht nichts Nahrhaftes mehr zu
sich nehmen sollten. Und beide dachten sie, dass sie sich trotz mancher
Kritik an ihren Ehefrauen eigentlich glücklich schätzen könnten...
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